- Besonderheit bei Erbverträgen: Gericht bestätigt Anspruch auf Rückgabe eines notariellen Testaments aus der amtlichen Verwahrung
Letztwillige Verfügungen von Todes wegen können zur Sicherheit in eine besondere amtliche Verwahrung gegeben werden. Sobald diese in amtliche Verwahrung genommene Urkunde dem Erblasser zurückgegeben wird, gilt ein notarielles oder handschriftliches Testament als widerrufen. Für Erbverträge gilt die Besonderheit, dass diese nur aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung genommen und zurückgegeben werden können, wenn diese Urkunde ausschließlich Verfügungen von Todes wegen enthält.
In dem hier behandelten Verfahren, das das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) zu entscheiden hatte, ging es um die Frage, ob diese einschränkende Vorschrift über Erbverträge auch auf ein gemeinschaftliches notarielles Testament angewendet werden kann, das neben der letztwilligen Verfügung von Todes wegen zugleich auch einen Ehevertrag sowie einen Pflichtteilsverzicht enthielt.
Eheleute hatten ein gemeinschaftliches notarielles Testament errichtet, das in einer Urkunde gleichzeitig auch einen Ehevertrag sowie eine Pflichtteilsverzichtsregelung enthielt. Beide Eheleute verlangten die Rückgabe dieser notariellen Urkunde aus der gerichtlichen Verwahrung des Nachlassgerichts. Dieses lehnte die Rückgabe zunächst ab. Das OLG gab den Eheleuten im Ergebnis jedoch recht und wies insbesondere darauf hin, dass die Regelung für Erbverträge auf ein öffentliches gemeinschaftliches Testament nicht anzuwenden ist.
Hinweis: Beabsichtigen Eheleute, eine letztwillige Verfügung von Todes wegen zu treffen, die in eine amtliche Verwahrung genommen werden soll, sollte eine gleichzeitig beabsichtigte ehevertragliche Regelung in einer hiervon getrennten Urkunde beurkundet werden.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.02.2022 - 14 W 6/22(aus: Ausgabe 05/2022)
- Die entscheidende Verzichtserklärung: Beantragung eines quotenlosen Erbscheins muss von allen Erben getragen werden
Da der Erbschein ein Nachweis für die Erbenstellung ist, sieht das Gesetz vor, dass ein für unrichtig erklärter Erbschein eingezogen werden muss. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Unrichtigkeit schon bei Erteilung des Erbscheins vorlag oder erst nachträglich eingetreten ist. Im folgenden Fall musste das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) über den Einzug eines Erbscheins ohne Quotenangaben befinden.
Nachdem der längstlebende Ehegatte verstorben war, hatten die aufgrund eines handschriftlichen Testaments eingesetzten Miterben einen gemeinschaftlichen Erbschein ohne Angabe von Erbquoten beantragt, den das Nachlassgericht in der Folge auch erteilte. Von den insgesamt drei Miterben hatten lediglich zwei eine ausdrückliche Erklärung abgegeben, dass sie auf die Aufnahme von Erbquoten verzichten. Die weitere Miterbin hat trotz Aufforderung durch das Gericht eine solche Erklärung nicht abgegeben.
Das OLG kam in einem solchen Fall zu dem Ergebnis, dass der so erteilte Erbschein an einem gravierenden Verfahrensfehler leidet, der zur Unrichtigkeit und damit auch zur Einziehung des Erbscheins führte. Das Gesetz sieht vor, dass grundsätzlich in einem gemeinschaftlichen Erbschein die Erben und ihre Erbteile anzugeben sind. Eine solche Angabe ist nur dann nicht erforderlich, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in dem Erbschein verzichten. Fehlt auch nur bei einem der Miterben eine solche Verzichtserklärung, ist der Erbschein unrichtig und einzuziehen.
Hinweis: Ein zunächst quotenloser Erbschein wird nicht dadurch unrichtig, dass die Quoten erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt werden. In einem solchen Fall ist eine Einziehung unzulässig.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 10.03.2022 - 21 W 175/21(aus: Ausgabe 05/2022)
- Erbeinsetzung oder Vermächtnisanordnung? Einstige Vorstellung des Erblassers über die Zusammensetzung des Nachlasses ist mitentscheidend
Ob man zum Erben oder Nachlassempfänger wird, ist auch bezüglich der mit dem jeweiligen Status verbundenen Verpflichtungen nicht unerheblich. Im folgenden Fall musste das Oberlandesgericht Rostock (OLG) entscheiden, ob der Wert eines zugewandten einzelnen Gegenstands - hier eine Immobilie - allein schon darüber entscheidet, dass der Empfänger zum Erben wird, wenn der restliche Nachlass nicht an den Gegenstandswert heranreicht.
Der Erblasser hatte im Jahr 1987 mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich beide gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Nach dem Tod des Längstlebenden war verfügt worden, dass ein im Eigentum der Eheleute stehendes Hausgrundstück an den Antragsteller im späteren Erbscheinsverfahren übergehen sollte. Das Haus hatte in etwa einen Wert von 200.000 EUR, der restliche Nachlass einen Wert von ca. 61.000 EUR. In der Folge stritten sich der Empfänger der zugewendeten Immobilie sowie die gesetzliche Erbin darum, wer Erbe nach dem Längstlebenden geworden sei.
Das OLG kam - anders als das Nachlassgericht - zu dem Ergebnis, dass der Zuwendungsempfänger des Hauses nicht Erbe nach dem Längstlebenden geworden ist. Hierbei hat das Gericht die Zweifelsregelung angewendet, dass bei der Zuwendung eines einzelnen Gegenstands eben nicht von einer Erbeinsetzung, sondern von einer Vermächtnisanordnung auszugehen ist. Der Umstand, dass es sich um das wesentliche Vermögen des Erblassers handelt, führt nicht zwangsläufig dazu, dass es sich um eine Erbeinsetzung gehandelt hat. Zu prüfen ist immer, wovon der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments in seinen Vorstellungen über die Zusammensetzung seines Nachlasses und den Wert der Gegenstände ausgegangen ist. Hierbei trifft denjenigen, der sich auf die Erbenstellung beruft, die Beweislast dafür, dass der zugewandte Gegenstand praktisch das gesamte Vermögen des Erblassers ausgemacht hat. Sofern dieser Nachweis geführt werden kann, ist dies ein starkes - wenngleich nicht zwingendes - Indiz dafür, dass der Erblasser dem Bedachten Rechte einräumen wollte, die nur einem Erben zugutekommen können. Diesen Nachweis, dass bei Testamentserrichtung kein wesentliches anderes Vermögen der Eheleute vorhanden gewesen war, konnte der Antragsteller hier aber nicht erbringen.
Hinweis: Ein Indiz, das beispielsweise die Stellung als Erbe entkräften kann, ist, wenn sich aus der Verfügung ergibt, dass der Bedachte nicht für Nachlassverbindlichkeiten, für Beerdigungskosten oder die Grabpflege aufkommen muss. Dies sind typische Verpflichtungen, die einen Erben treffen.
Quelle: OLG Rostock, Beschl. v. 08.02.2022 - 3 W 143/20(aus: Ausgabe 05/2022)
- Erbschaftsausschlagung nur "offline": Fristgerechte Anfechtung nur in beglaubigter Form und als Originalurkunde möglich
Möchte der Erbe die Erbschaft nicht annehmen, kann er dies durch eine Ausschlagung der Erbschaft erreichen - innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnisnahme über den Erbfall. Zudem besteht die Möglichkeit, eine bereits erfolgte Ausschlagung durch eine Anfechtungserklärung innerhalb derselben Fristsetzung zu beseitigen. Das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) musste in einem solchen Fall nun klarstellen, dass im Erbrecht nicht nur vom Erblasser bei Testamentserstellung, sondern auch von Erben unverzichtbare Formvorschriften unbedingt einzuhalten sind.
Der im Jahr 2000 verstorbene Erblasser hinterließ zwei Geschwister als Abkömmlinge, die innerhalb der dafür vorgesehenen Frist die Erbschaft nach dem verstorbenen Bruder zunächst formgerecht ausgeschlagen haben. In der Folge hatte das Nachlassgericht dann zum Zweck der Erbenermittlung eine Nachlasspflegschaft angeordnet. Als die Geschwister Kenntnis davon erlangten, dass der Nachlass entgegen ihrer ursprünglichen Annahme werthaltig war, ließen sie eine notariell beglaubigte Anfechtungserklärung erstellen. Diese wurde innerhalb der Sechswochenfrist auf elektronischem Weg über das sogenannte besondere elektronische Anwaltspostfach von der beauftragten Rechtsanwältin der Erben an das Nachlassgericht übersendet. Das ebenfalls im Original übersandte Schriftstück ging bei Gericht erst nach Ablauf der Frist ein.
Das OLG kam im konkreten Fall jedoch zu dem Ergebnis, dass die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung nicht fristgerecht erfolgt sei. Das Gesetz sieht vor, dass die Anfechtungserklärung zur Niederschrift des Nachlassgerichts in einer öffentlich beglaubigten Form abzugeben ist. Die Erben hatten durch die notarielle Beglaubigung die öffentliche Form zwar zunächst gewahrt. Da die Anfechtung der Ausschlagung gegenüber dem Nachlassgericht zu erklären ist, erfordert eine fristgerechte Einreichung nach Ansicht des OLG aber auch, dass die in öffentlich beglaubigter Form abgegebene Erklärung in der Originalurkunde bei Gericht eingeht. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben, da mit der Übersendung in elektronischer Form eben nicht das Original fristgerecht bei Gericht eingegangen ist.
Hinweis: Trotz mittlerweile vielfältiger Möglichkeiten zur elektronischen Kommunikation ist gerade im Zusammenhang mit der Einhaltung von Fristen gegenüber dem Gericht darauf zu achten, ob die elektronische Übermittlung ein zulässiges Mittel der Kommunikation ist.
Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 21.03.2022 - 2 W 35/21(aus: Ausgabe 05/2022)
- Während des Verfahrens verstorben: Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erlischt mit dem Tod des Berechtigten
Einer nichtvermögenden Partei kann Prozesskostenhilfe - im Familienrecht auch Verfahrenskostenhilfe genannt - gewährt werden, wenn sie aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht dazu in der Lage ist, einen Rechtsstreit aus eigenen Mitteln zu führen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) musste nun darüber befinden, was mit der bewilligten Hilfe passiert, wenn der Kläger noch während des Verfahrens verstirbt: Ist der Anspruch vererbbar oder etwa nicht?
Der Kläger in einem Verfahren vor den Verwaltungsgerichten hatte am 17.05.2020 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens gestellt. Am 22.07.2021 ist der Kläger während des noch laufenden Verfahrens verstorben.
Das OVG hat in dem anhängigen Rechtsmittelverfahren klargestellt, dass es sich bei dem Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe um ein höchstpersönliches Recht handelt, das allein an die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der antragstellenden Partei anknüpft. Aus dieser Personengebundenheit der Prozesskostenhilfe folgt, dass sowohl ein dahingehender Anspruch auf Bewilligung als auch eine gegebenenfalls bereits erfolgte Bewilligung mit dem Tod der Partei erlöschen und nicht vererblich sind.
Hinweis: Will ein Erbe, zumindest für den Fall, dass der im Streit stehende Anspruch selbst vererblich ist, das Verfahren fortführen, muss er einen eigenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen.
Quelle: OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.01.2022 - 9 A 1587/20(aus: Ausgabe 05/2022)
- "Geständiger" Fahrzeughalter: Fahrtenbuchauflage bei berechtigten Zweifeln zu Angaben im Anhörungsbogen rechtens
Eine Fahrtenbuchauflage wird zumeist dann angeordnet, wenn durch behördliche Bemühungen nicht festgestellt werden konnte, wer den erfolgten Verkehrsverstoß begangen hat. Wie es sich aber mit einer solchen Maßnahme verhält, wenn es bei der Feststellung offensichtlich keinerlei Zweifel zu geben scheint, da der "Sünder" geständig ist, zeigt das folgende Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz (VG).
Mit dem Fahrzeug des Antragstellers wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer Ortschaft um (bereinigte) 28 Stundenkilometer überschritten. Der Antragsteller sandte den ihm dazu von der Bußgeldbehörde zugeleiteten Anhörungsbogen mit der Angabe zurück: "Ich gebe die Zuwiderhandlung zu." Unter Hinweis auf die Zweifel an der Täterschaft des Antragstellers schrieb die Bußgeldstelle diesen mehrfach mit der Bitte um Benennung des Fahrers an; eine inhaltliche Äußerung unterblieb jedoch. Das Bußgeldverfahren wurde daraufhin zwar eingestellt, in der Folge jedoch dem Antragsteller gegenüber das Führen eines Fahrtenbuchs für das Tatfahrzeug für die Dauer von zwölf Monaten mit Sofortvollzug angeordnet. Dagegen wandte sich der Mann mit einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs an das VG.
Das VG hat den Eilantrag abgelehnt. Die Bußgeldbehörde habe trotz aller angemessenen und zumutbaren Maßnahmen den Fahrzeugführer bei dem in Rede stehenden Verkehrsverstoß nicht ermitteln können. Der Antragsteller habe - angesichts des evidenten Abweichens des Ausweisfotos des Antragstellers von dem anlässlich des Verkehrsverstoßes erstellten Lichtbild des Fahrzeugführers - unrichtige Angaben gemacht, die geeignet gewesen seien, die Ermittlung des Täters zu verhindern. Dadurch noch verbliebene Ermittlungsansätze der Bußgeldbehörde seien ohne Erfolg gewesen. Insbesondere habe der Antragsteller auch auf Vorhalt, dass sein Tatbekenntnis nicht mit dem Fahrerfoto in Einklang zu bringen sei, keine weiteren Angaben gemacht. Nur mit dem Fahrerfoto allein sei es der Behörde unter dem Gesichtspunkt eines sachgerechten, erfolgversprechenden Aufwands jedoch nicht möglich gewesen, den Täter zu ermitteln.
Hinweis: Einem Fahrzeughalter kann das Führen eines Fahrtenbuchs aufgegeben werden, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer erheblichen Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften (bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung) nicht möglich gewesen sei. Die Fahrtenbuchauflage stelle eine der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dienende Maßnahme der Gefahrenabwehr dar, mit der dafür Sorge getragen werden solle, dass künftige Feststellungen eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften unter erleichterten Bedingungen möglich seien.
Quelle: VG Mainz, Beschl. v. 02.03.2022 - 3 L 68/22.MZ(aus: Ausgabe 05/2022)
- Ausstellungsfahrzeug als "Neuwagen"? "Unbenutzt" ist ein Fahrzeug nur, wenn es nicht einmal Präsentationszwecken mit Kundenkontakt diente
Wann ist ein neues Auto auch im rechtlichen Sinne noch ein neues Auto? Welche Kriterien genau erfüllt werden müssen, um ein bislang nicht zugelassenes Fahrzeug auch als Neuwagen anzusehen, musste im folgenden Fall eines Sportwagenkaufs das Amtsgericht München (AG) entscheiden.
Die Klägerin erwarb Ende 2019 einen Sportwagen mit einem Listenpreis von ca. 61.000 EUR für 54.600 EUR. Der Pkw, der bereits 2018 produziert worden war, befand sich zur Zeit des Kaufs in einer anderen Niederlassung des Verkäufers. Dort war der Sportwagen ausgestellt und konnte von Besuchern besichtigt werden. Zugelassen oder gefahren worden war das Fahrzeug nicht. Nach Übernahme des Fahrzeugs stellte die Klägerin Kratzer, kleinere Dellen und Abschürfungen fest und meinte nun, sie habe anstatt eines fabrikneuen ein gebrauchtes Fahrzeug erhalten. Sie forderte daher eine Minderung des Kaufpreises in Höhe von 5.000 EUR.
Das AG gab der Klägerin Recht und verurteilte den Verkäufer zur Zahlung einer Minderung des Kaufpreises. Der Pkw war nach Auffassung des Gerichts kein Neuwagen mehr. Das Gericht geht davon aus, dass ein "unbenutztes" Kraftfahrzeug nicht nur bedeutet, dass es - wie hier - noch nicht zugelassen bzw. noch nicht gefahren, sondern auch nicht anderweitig benutzt wurde. Bei Ausstellung eines Fahrzeugs in einer Niederlassung wird es jedenfalls von einer unbestimmten Anzahl von Personen innen und außen angefasst, Türen und Kofferraum werden vielfach geöffnet, es wird probegesessen, Sitze werden verstellt etc. Die klägerische Bezifferung der Minderung im Gerichtsverfahren mit 5.000 EUR erschien dem Gericht jedoch überhöht, und es hielt einen Betrag von 1.000 EUR für angemessen.
Hinweis: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein unbenutztes Kraftfahrzeug dann noch als "fabrikneu" betrachtet werden, wenn und solange das Modell unverändert weitergebaut wird, keine standzeitbedingten Mängel vorliegen und der Zeitraum zwischen Herstellung und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate beträgt.
Quelle: AG München, Urt. v. 17.12.2021 - 271 C 8389/21(aus: Ausgabe 05/2022)
- Handy beim Fahren: Verbotswidriges Halten eines Mobiltelefons gilt auch für dessen Positionierung auf dem Oberschenkel
Was halten Sie von dem Begriff "halten"? Neben dem Sinn des "Anhaltens" womöglich das, was der Duden - zumindest auf den ersten Blick - sagt: "ergriffen, gefasst haben und nicht loslassen; festhalten". Das Bayerische Oberlandesgericht in München (BayObLG) fasst den Begriff jedoch weiter - und zwar in jenen Fällen, in denen ein Mobiltelefon am Steuer eine Rolle spielt. Und das hat damit zu tun, was die oberste Sprachinstanz auf den zweiten Blick zu der Begriffsbedeutung sagt.
Eine Autofahrerin hatte im zähfließenden Verkehr ihr Mobiltelefon auf ihrem rechten Oberschenkel abgelegt und kurz mit dem Finger die Wahlwiederholung angewählt - und wurde dabei erwischt. Einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung (StVO) durch die bloße Bedienung des auf dem Oberschenkel liegenden Mobiltelefons verneinte das folglich eingeschaltete Amtsgericht hingegen. Denn bei der Regelung des § 23 Abs. 1a Nr. 1 StVO handele es sich um ein "hand-held-Verbot" - also um ein Verbot des In-der-Hand-Haltens des Telefons. Und hier sei das Mobiltelefon schließlich weder aufgenommen noch gehalten worden.
Doch vom Wortsinn her bedeute "halten" nicht nur das Festhalten, sondern laut Duden und demnach auch nach Meinung des BayObLG auch das Bewirken, "dass etwas in seiner Lage, seiner Stellung oder Ähnlichem bleibt". Demnach liegt ein Halten nicht nur dann vor, wenn ein Gegenstand mit der Hand gegriffen, sondern etwa auch dann, wenn ein elektronisches Gerät bei der Nutzung zwischen Schulter und Ohr oder eben zwischen Oberschenkel und Lenkrad fixiert wird. Darüber hinaus ist ein Halten auch dann gegeben, wenn das Gerät in sonstiger Weise mit Hilfe der menschlichen Muskulatur in seiner Position bleibt. Ein Mobiltelefon kann während der Fahrt - verbunden mit den damit einhergehenden Geschwindigkeits- und Richtungsänderungen - nicht allein durch die Schwerkraft auf dem Schenkel verbleiben. Es bedarf vielmehr einer bewussten Kraftanstrengung, um die Auflagefläche so auszubalancieren, damit das Mobiltelefon nicht herunterfällt. Auch dieses durch menschliche Kraftanstrengung bewirkte Ausbalancieren unterfällt dem Begriff des Haltens.
Hinweis: § 23 Abs. 1 Satz 1 StVO verlangt, dass Sicht und Gehör des Fahrers während der Fahrt nicht beeinträchtigt sind. Dementsprechend erlaubt § 23 Abs. 1a StVO die Benutzung eines dort genannten elektronischen Geräts nur dann, wenn hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und entweder nur eine Sprachsteuerung oder eine Vorlesefunktion genutzt wird oder die Bedienung des Geräts nur eine kurze Blickzuwendung erfordert. Der Fahrer soll sich primär auf das Verkehrsgeschehen konzentrieren.
Quelle: BayObLG, Beschl. v. 10.01.2022 - 201 ObOWi 1507/21(aus: Ausgabe 05/2022)
- Integritätsinteresse gegeben: 130-%-Grenze gilt auch bei der Reparatur von Leasingfahrzeugen
Ob ein Leasingnehmer - wie ein Eigentümer auch - sein Fahrzeug im Rahmen der 130-%-Grenze noch reparieren lassen darf oder sich auf eine Abrechnung auf Totalschadensbasis verweisen lassen muss, hatte das Oberlandesgericht Köln (OLG) zu beantworten.
Der im Gutachten veranschlagte Reparaturaufwand (Reparaturkosten zzgl. Wertminderung) des verunfallten Leasingfahrzeugs des Klägers betrug im konkreten Fall 103 % des ermittelten Wiederbeschaffungswerts. Der Kläger entschied sich - letztlich mit Zustimmung der Leasinggeberin - dazu, sein Fahrzeug gemäß den Vorgaben des Sachverständigengutachtens vollständig sach- und fachgerecht reparieren zu lassen. Auch die tatsächlichen Reparaturkosten gemäß Werkstattrechnung bewegten sich trotz leichter Ausweitung noch im Rahmen der 130-%- Grenze. Tatsächlich nutzte der Kläger das Fahrzeug dann auch noch für mehr als sechs weitere Monate. Die Haftpflichtversicherung des Schädigers regulierte dennoch nur den Wiederbeschaffungswert (abzüglich Restwert) und berief sich darauf, dass der Kläger als Leasingnehmer keinerlei sogenanntes Integritätsinteresse an dem Fahrzeug haben könne, da er dieses ohnehin zurückgeben müsse. Dies sah das OLG jedoch anders.
Auch bei einem Leasingnehmer bestehe laut OLG ein ähnlich schützenswertes Interesse an der weiteren Fahrzeugnutzung wie bei einem Eigentümer. Ebenso sei der Erhalt der Rechtspositionen schützenswert, die sich aus dem für eine konkrete Dauer abgeschlossenen Leasingvertrag ergibt. Dies beziehe mit ein, sich etwaigen Forderungen der Leasinggesellschaft durch eine vorzeitige Abrechnung nicht ausgesetzt sehen zu müssen.
Hinweis: Liegen die von einem Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130-%-Grenze und gelingt es dem Geschädigten, eine fachgerechte Reparatur gemäß den Vorgaben des Gutachtens in einer freien Werkstatt durchführen zu lassen, kann der Geschädigte die konkret angefallenen Reparaturkosten ersetzt verlangen - sofern die Kosten unter Berücksichtigung des merkantilen Minderwerts den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen. Für die Bestimmung der 130-%-Grenze kommt es darauf an, welchen Betrag der Geschädigte tatsächlich für eine fachgerechte Reparatur aufwenden musste.
Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 01.12.2021 - 21 U 55/21(aus: Ausgabe 05/2022)
- Vorrang eines Linienbusses: Verlassen der Haltestelle muss dem fließenden Verkehr durch rechtzeitiges Blinken angezeigt werden
In jedem Berufsleben gibt es Tätigkeiten, die einem in Fleisch und Blut übergegangen sind - einfach deshalb, weil sie routinemäßig zum Tagesgeschäft gehören. Dass es Berufkraftfahrern jedoch stets angeraten ist, selbst die augenscheinlich profansten Abläufe konzentriert auszuüben, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Celle (OLG).
Zu dem Verkehrsunfall kam es, als ein Linienbus von einer Haltestelle nach links in den fließenden Verkehr einfahren wollte und folglich mit einem Pkw zusammenstieß. Dessen Fahrer erhob gegen das Busunternehmen schließlich Schadensersatzklage, und es entstand ein Streit darüber, ob der Busfahrer das Einfahren in den fließenden Verkehr rechtzeitig durch den Blinker angezeigt hatte oder nicht.
Das OLG entschied zum Teil zugunsten des Klägers. Es spreche ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Linienbusfahrer den Unfall - überwiegend - verschuldet hat. Denn dieser hat nicht nachweisen können, dass er seine Absicht, nach links in den fließenden Verkehr einzubiegen, durch den Fahrtrichtungsanzeiger angekündigt hatte. Damit habe nicht bewiesen werden können, dass dem Busfahrer ein Vorrecht zugestanden hat. Der Vorrang des Linienbusses besteht in der Tat erst dann, wenn der Fahrer des Busses sein Vorhaben ordnungsgemäß und rechtzeitig angezeigt hat. Eine Mithaftung des Klägers nahm das Gericht in Höhe von 25 % aus der Betriebsgefahr an.
Hinweis: Gemäß § 10 Satz 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) muss sich der Einfahrende vom Fahrbahnrand auf eine Fahrbahn so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Vorrang des fließenden Verkehrs gilt grundsätzlich auch gegenüber dem Fahrer eines Omnibusses des Linienverkehrs. Um derartigen Fahrzeugen, die an feste Fahrpläne und an die Einhaltung bestimmter Fahrzeiten gebunden sind, aber das Anfahren und Einordnen in den fließenden Verkehr zur Sicherstellung der zeitlichen Vorgaben zu erleichtern, bestimmt § 20 Abs. 5 StVO, dass diesen das Abfahren von gekennzeichneten Haltestellen zu ermöglichen ist und andere Fahrzeuge, wenn nötig, warten müssen. Diese Einschränkung des Vorrangs des fließenden Verkehrs gilt aber erst dann, wenn der Fahrer eines Omnibusses des Linienverkehrs sein Vorhaben ordnungsgemäß und rechtzeitig angezeigt hat.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 10.11.2021 - 14 U 96/21(aus: Ausgabe 05/2022)